Lehrer diskutieren in einem Blog

Gestern bin ich von einem Schüler mit Kritik konfrontiert worden, nichts Spezielles eigentlich. Die Art der Kritik war allerdings speziell. Der Vorwurf lautete, dass die Schüler dieser Klasse im Unterricht “nichts machen” würden. Da wir in der letzten Zeit viel gelesen, viel geschrieben, viel Textarbeit geleistet haben, schien mir dieser Punkt recht eigenartig. Ich hakte nach. Es kam folgendes raus:

In einer andern Klasse, die der Kritiker gut kennt, würden die Schüler aus dem Schulhaus gehen, Dinge tun, die mit dem Unterricht nicht mehr direkt zu tun haben. Man besucht Veranstaltungen, schreibt Drehbücher, vor allem verlässt man das Schulhaus.

Was habe ich mit dieser Klasse getan? Wir haben viel gelesen, wir haben uns mit grammatischen und stilistischen Problemen herumgeschlagen. Wir haben Sequenzen aus einem Buch dramatisiert und szenisch dargestellt. Wir sind meist im Schulzimmer, manchmal im Computerraum, wir arbeiten an und mit Texten. Ich greife zu Methoden der Visualisierung, ich setze Videos, Podcasts ein. Da fällt mir so nebenbei ein, einmal haben die Schüler einen Prosatext dramatisieren und dann aufnehmen müssen. Aber wir arbeiten meist im Schulzimmer. Wir arbeiten an und mit Texten. Das ist nicht immer abwechslungsreich, vor allem dann, wenn man die Texte nicht auf Anhieb versteht.

Dies zur Ausgangslage. Gestern Abend habe ich einen Beitrag von Norberto42 gelesen. Ich schätze die Beiträge dieses pensionierten Lehrers sehr. Sein Thema passte zu meinem. In seinem Beitrag geht es um die Tendenz in modernen Schulbüchern, Texte wirkungsvoll in Szene zu setzen, aber nicht wirklich zu diskutieren. Also habe ich einen Beitrag geschrieben und bin auf das Thema, das ich oben angeschnitten habe eingegangen. Heute Morgen hat ein weiterer Lehrer, Markus Märkl, der auch in meinem Blog schon Kommentare geschickt hat, einen neuen interessanten Diskussionsbeitrag verfasst. Auch Norberto42 hat sich diesen Morgen wieder gemeldet:

Liebe Kollegen,
ich freue mich über die Zustimmung und befürchte, das wir einen Stil des Unterrichtens repräsentieren (resp. dass ich repräsentiert habe), der nicht “modern” ist, sondern auf Nachhaltigkeit setzt, dafür auf Schnickschnack verzichtet.
Vielleicht kann man es mit dem Kollegen Jakob dahin formulieren: Konzentration vs. Zerstreuung?

Was mich an diesem Beispiel besonders fasziniert: Da kommen drei Berufskollegen aus unterschiedlichen Regionen und Ländern zu einer öffentlichen Diskussion zusammen. Mir hilft es, eine kleine Auseinandersetzung auf völlig anderer Ebene weiterzuführen. Vielen Dank an Norberto42 und Markus.

 

3 Antworten auf „Lehrer diskutieren in einem Blog“

  1. Die Diskussion ist sehr spannend, berührt sie doch einen Kernbereich unserer Arbeit. Trennen müsste man zwischen der Lehrbuchkritik, der Sinn-Frage nach handlungsorientieren Aufgabenstellungen (Lesen als freie Operation auffassend mit der Artikulation von Schülerbedürfnissen). Das summiert sich aber in der Problematik, dass die Kärrnerbeit im DU – die Arbeit an Stil und Ausdruck – durch genannte Problemfelder oft nur noch eine geringe Rolle spielt. Da steht man doch alleine und sieht sich der Kritik der Schüler ausgesetzt. Die Abwechslung macht es sicher spannend – nur haben handlungsorientierte Verfahren den motivierenden Effekt, einen Mehrwert hinsichtlich der o.g. Problematik und eine Nachhaltigkeit?

    1. Es stimmt natürlich Markus, wir müssen unterscheiden zwischen dem, was die Lehrbücher uns anbieten, und dem eigentlichen Deutschunterricht. Das Problem ist allerdings, dass die gängigen Lehrbücher eine bestimmte Art des Unterrichtens voraussetzen oder uns zumindest nahelegen wollen. Im Moment sind offensichtlich handlungsorientierte Unterrichtsmodelle en vogue. Solche Ansätze können natürlich durchaus sinnvoll sein, nur dürfen sie nicht Hauptzweck des Unterrichts bleiben. Arbeit an Stil und Ausdruck, wie du schreibst, das ist die Kärrnerarbeit. Ich habe neulich einen Fragebogen eines Schülers bekommen, der innerhalb des Deutschunterrichts einen Vortrag erarbeiten musste und deshalb Personen zum Thema Sprache befragt hat. In diesem Fragebogen hatte es eine Menge von Fehlern: simple Orthographiefehler, Stilfehler, aber auch klare logische Fehler. Soll man als Lehrer einen Schüler einen solchen Fragebogen verschicken lassen? Hauptsache es macht dem Schüler Spass? Das Pikante daran: der Schüler ist in einer Klasse von Sonderbegabten.

  2. An Rechtschreibfehlern sollte man sich nicht aufhängen. Da packe ich mich auch an der eigenen Nase, wobei ich in diesem Fall finde, dass ein Fragebogen 150% passen sollte – Hochbegabung hin oder her. Aber eine Vielzahl an Ãœbungen zu Stil und Ausdruck halte ich für hilfreicher als sog. handlungsorientierte Arbeitsaufträge. Letztere überlege ich mir schneller als eine gute Stilübung. Das denken wohl die Verlage auch?

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