Eingebrochen und Abituraufgaben aus dem Tresor des Direktors gestohlen

Auf news4teachers.de habe ich heute gelesen, dass drei Schüler aus dem Tresor eines Bamberger Gymnasiums im Mai 2020 Abitur-Prüfungsaufgaben der Fächer Deutsch, Englisch und Latein gestohlen haben. Dafür haben die damals 19-Jährigen jetzt wegen Sachbeschädigung und Diebstahl eine Strafe von neun Monaten mit zwei Jahren auf Bewährung bekommen. Ausserdem müssen sie in einem gemeinnützigen Projekt mitarbeiten.

«Am Anfang war es Abenteuerlust», sagte einer der Angeklagten. «Anerkennung» sei ebenso ein Grund gewesen. Von den schulischen Leistungen hätten die jungen Männer dies nach Angaben ihrer Verteidiger nicht nötig gehabt.

Nach dem entdeckten Diebstahl mussten für die 33’000 Prüflinge neue Ersatzaufgaben gestellt werden. Für das Mathematik-Abitur mussten zudem kurzfristig neue Aufgaben für mehrere Länder gemacht werden.

Im selben Jahr habe ausserdem ein Konrektor Abschlussaufgaben fotografiert und dem Sohn seiner Lebensgefährtin zukommen lassen.

Meinen allerersten Blogbeitrag hier im Mai 2006 war eine Kurzmeldung über den Diebstahl von Abituraufgaben, und im April 2007 berichtete ich dann kurz von einem weiteren Diebstahl von Klausuren aus einem Zug.

Von einem Kollegen weiss ich, dass er bei Regenwetter auf dem Nachhauseweg mit seinem Fahrrad gestürzt ist und dass dabei ein ganzer Klassensatz von Klausuren verstreut wurde. Die Prüfungen waren zwar nicht weg, aber sie hätten viele Spuren von diesem Unfall gehabt. Das haben mir Schüler berichtet.

Falsch eingestellt Uhr

Zuerst dachte ich, dass ich die folgende Schlagzeile unter “Na so was” abhaken kann.

Weil die Uhr im Prüfungsraum noch auf Winterzeit stand, dürfen Schüler eines Englisch-LKs in Wetter (Ruhr) die Abiklausur noch einmal schreiben. Das Gymnasium im Ennepe-Ruhr-Kreis (Nordrhein-Westfalen) räume den betroffenen 22 Schülerinnen und Schülern diese Option in Abstimmung mit der Bezirksregierung Arnsberg ein, sagte eine Behördensprecherin am Montag.

Quelle: Uhr auf Winterzeit: Schüler dürfen Abiklausur wiederholen | News4teachers

Ich habe dann aber sehr schnell gesehen, dass dieses Ereignis im Netz recht hohe Wellen geschlagen hat. Auf einen Artikel auf spiegel.de gab es besonders viele Kommentare. Auf diese möchte ich kurz eingehen. Sie geben ein sehr gutes Bild davon ab, wie heutige Abiturient*innen wahrgenommen werden und welchen Stellenwert das Abitur für viele heutige Menschen hat.

    • Die einen behaupten, dass die Schüler halt heute nicht mehr die Uhr lesen können.

      Nichtmal die Uhr können sie lesen. Wer noch immer glaubt, Deutschland würde irgendwann in der Zukunft die Digitalisierung in Schulen realisieren, ist wirklich absolut delusional.

      Die Uhr sollte man als Abiturient schon lesen können.

      Die vielen in dieser Kategorie, die manchmal auch nicht fehlerfrei schreiben können, sehen die Schwächen in den mangelnden praktischen Fähigkeiten der heutigen Jugend. Nur haben sie etwas übersehen, die Uhr ging nicht richtig, das hat nichts mit der Fähigkeit zu tun, ob man die Uhr richtig lesen kann. Dass man schliesslich in einer Prüfungssituation nicht erkennen kann, dass die Uhr noch auf Winterzeit eingestellt ist, lässt sich doch wohl nachvollziehen. Einige Kommentatoren (!) glauben aber, dass ihnen das nie passiert wäre.

    • Die nächste Kategorie ist erstaunt darüber, dass die Jugendlichen heute keine Armbanduhren mehr haben.

      Haben denn die jungen Leute heutzutage keine Armbanduhr mehr?

      Ja, so ist es. Es ist mir schon seit einigen Jahren aufgefallen, dass unsere Schüler*innen häufig keine Armbanduhren mehr haben. Warum sollten sie auch, dafür gibt es das Smartphone. Aus diesem Grund stelle ich auch jeweils während den Prüfungen eine Uhr auf, damit die Schüler:innen ohne Gebrauch des Smartphones wissen, wie viel Zeit sie noch haben für die Aufgaben. Neuerdings haben viele Smartwatches. Es soll aber Lehrpersonen geben, die auch diese verbieten.

    • Und diese der Kommentar der Mutter einer Schülerin, die an der Prüfung gewesen ist:

      Meine Tochter war bei der Klausur dabei. Es gibt nur eine Uhr in der Turnhalle, die offenbar nicht auf Sommerzeit gestellt wurde. Sie hat es selbst gemerkt zu Beginn, aber es ist trotzdem in einem Zeitraum von 5 Stunden, wenn man im Flow englisch schreibt, irritierend, wenn die Uhrzeit nicht stimmt. Natürlich können Fehler passieren. Mich stört dabei, dass die Schüler sehr wegen Corona und Tests und Masken unter Druck gesetzt werden. Dann erwarte ich auch Perfektion von Seiten der Schule. Dazu kommt noch, dass die Prüfungsthemen sehr schwer waren und thematisch völlig daneben. Dieser Jahrgang ist schon gebeutelt genug, da hätte man vernünftige Abiturprüfungen erwartet.

      Zur Aufgabenstellung werde ich in einem weiteren Beitrag noch Stellung nehmen. Da hat sich noch ein ganz anderes Problem offenbart.

    • Und dann natürlich die grundsätzliche Kritik an der Schule:

      In einem Land, das seine Bürger – und dazu gehören auch die Schüler – mit Bürokratie dermaßen gängelt, ist es wirklich nicht akzeptabel, dass der öffentliche Dienst den einfachsten Pflichten nicht nachkommt. Alle vom Hausmeister über den Studienrat bis hin zum Schuldirektor kommen in den Genuss einer sicheren Anstellung, die es in der freien Wirtschaft nirgendwo gibt. Wo war der Hausmeister, dessen Aufgabe es war, alle Uhren richtig einzustellen? Wo war der Studienrat, zu dessen Aufgaben es auch gehört, rechtzeitig zu überprüfen, ob die äußeren Voraussetzungen für eine Prüfung erfüllt sind und wo war der Schuldirektor, dem die Gesamtverantwortung obliegt?

      Wie kann man erwarten, dass junge Menschen zu verantwortungsvollen Bürgern erzogen werden, wenn man ihnen permanent eigene Verantwortungslosigkeit vorlebt?

       

    • Schlussfolgerung?

      Mein Gott, es ist halt ein Fehler passiert, das kann doch mal sein. Wichtig ist doch nur, dass er korrigiert wird.

       

  • In diesem Zusammenhang fällt mir eine kleine Episode ein, die ich früher hier schon beschrieben habe: Das störende Ticken der Uhr.Nachtrag: Jetzt fällt mir ein, die Uhr im Klassenzimmer geht immer 1 Minute vor. Ich kann diese Minute zurückdrehen, das nützt nichts, da sich die Uhr immer automatisch korrigiert. Bisher hat aber noch niemand von den Schüler:innen deswegen reklamiert.

Der letzte Schultag

Der letzte Schultag ist sicher etwas Besonderes. Damit dieses Besondere auch in Erinnerung bleibt, lässt man sich offenbar einiges einfallen. Ob allerdings eine Fahrt mit dem Roller durch die Mensa wirklich etwas so Originelles ist, ist eher fragwürdig. Offenbar aber ist die Tamedia-Presse da anderer Meinung und widmet dem Urheber dieses Streiches einen ganzen Artikel. Wie wäre es, wenn man denjenigen, die die besten Notendurchschnitte haben, einen Artikel widmen würde? Diese Leistungen sind auf jeden Fall bemerkenswerter als eine banale Fahrt mit dem Roller durch ein Schulhaus.

An der Kantonsschule in Solothurn ist dieser letzte Tag für die Schülerinnen und Schüler offenbar nichts Besonderes. In einer von der Schule organisierten kleinen Schlussfeier werden sie verabschiedet, die Verabschiedeten aber wollen nicht durch “originelle” Aktionen auf sich aufmerksam machen. Da ist der “Tag danach” wesentlich beliebter, der Tag nach Bekanntgabe der Prüfungsresultate. In diesem Jahr verbietet man den Schülern den Zutritt in die Schule, wie die Solothurner Zeitung hier und hier gemeldet hat.

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Deutsch-Zentralmatur in Österreich

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Wie ich einem Artikel aus der österreichischen Zeitung Die Presse vom 10.9.12 entnehmen konnte, wird die Deutsch-Matur in Österreich neu gestaltet. Ich gehe auf einige Stellen aus diesem Artikel ein.

  • Ausgangspunkt des Beitrags ist die Feststellung, dass die Latte für die Deutschprüfung hoch gesteckt werden müsse, da eine Reifeprüfung den Antritt eines Universitätsstudiums bedeute. Daraus wird nun die Schlussfolgerung gezogen, dass es für alle vergleichbare Standards brauche.
    Dies Folgerung ist doch eigenartig, was haben vergleichbare Standards damit zu tun, dass eine bestandene Reifeprüfung ein Billett für einen Studienantritt bedeutet? Hier fehlt mir der Gedanke der Chancengleichheit für alle. Nicht der automatische Universititätseintritt ist ein Argument für die Anwendung gleicher Standards, sondern die gleiche Behandlung aller Schülerinnen und Schüler.
  • Da es vergleichbare Standards brauche, habe man sich entschlossen, allen Prüflingen die gleichen Aufgaben zu stellen.
    Auch dieser Gedanke ist nicht zwingend. Vergleichbare Standards heißt keineswegs, dass alle die gleiche Prüfung machen müssen.
  • Inhalt dieser gemeinsamen Prüfung sind offenbar drei Aufgabenpakete. In einem Paket befindet sich zwingend eine literarische Aufgabe.
  • In jedem Paket befindet sich eine ähnliche Aufgabenstellung: Statt ein längerer Aufsatz werden zwei Texte verlangt, offenbar in jedem Paket. Zudem geht jede Aufgabe von einem Text aus: “Die Kandidat(inn)en müssen sich auf die Ausgangstexte beziehen. Diese können literarisch sein oder Sachtexte, zum Beispiel aus der „Presse“, bisweilen auch Tabellen oder Schaubilder. Und die Prüflinge müssen gezielt argumentieren, Vorgänge beschreiben oder Sachverhalte darstellen. Der alte Besinnungsaufsatz hat ausgedient.”
    Man kann darüber geteilter Meinung sein, ob jeder “Aufsatz” sich auf einen Ausgangstext beziehen soll. In den letzten Jahren haben sich die Aufgabenstellungen aber tatsächlich in diese Richtung bewegt, übrigens nicht unbedingt zur Freude der Schüler. Entscheidend ist hier allerdings, wie schwierig diese Texte sind, auch der Umfang spielt eine wesentliche Rolle. Die Schüler müssen sich dann durch drei “Dossiers” durcharbeiten, das braucht Zeit. Auch die Bearbeitung dieser Texte braucht Zeit, schließlich braucht es noch eine eigene Auseinandersetzung mit dem Thema.
    Sehr häufig werden heute kurze Texte oder Zitate als Grundlage für eine Aufgabenstellung verwendet, so etwa hier an der Kantonsschule Reussbühl.
  • Auch die Beurteilung soll einheitlich geregelt werden. Jede Arbeit wird von einer Lehrperson korrigiert nach einem “genauen und verbindlichen Kriterienkatalog”. Dieser bestehe aus vier Punkten und entspreche genau der “gesetzlichen Leistungsbeurteilung”: Inhalt, Aufbau, Sprache, formale Richtigkeit (Rechtschreibung, Zeichensetzung, Grammatik).
    Wenn der Kriterienkatalog wirklich zu einer einheitlichen Prüfung führen soll, dann muss gerade dieser Katalog sehr umfangreich sein. Die Kriterien müssen zu jedem Thema, zu jedem Text entwickelt und dann auch verständlich dargestellt werden. Dann stelle man sich vor, die Schüler kommen auch in den Besitz dieser Kriterien. Vorstellbar, dass nun Rekurse gegen die Kriterien oder die Anwendung derselben durch eine Lehrperson Rekurs eingelegt wird.
  • Diese Kriterien sollen “den Primat des Inhalts” sicherstellen: “Das heißt: Eine inhaltlich gute oder sehr gute Arbeit kann kaum zu einem „Nicht genügend“ führen, auch bei formalen Mängeln. Und umgekehrt: Eine formal fehlerfreie Arbeit führt nicht automatisch zu einem „Sehr gut“.”
    Dies gilt natürlich nur, wenn man den Aufbau und auch den sprachlichen Stil zum Inhalt rechnet, sonst kann diese Bemerkung ja kaum zutreffen.
    Hier wird übrigens noch ein Seitenhieb – nicht der erste – gegen gewisse Lehrpersonen ausgeteilt: “Das mag für manche eine Umstellung bedeuten. Denn es ist eben viel einfacher, Beistrich- oder Rechtschreibfehler zu zählen als die Qualität einer Arbeit zu beurteilen.” Mit diese Problematik wird jeder, der sich zum Deutschlehrer ausbilden lässt, schon bei der ersten Aufsatzkorrektur konfrontiert. Die entscheidende Frage ist aber, wie man die Qualität einer Arbeit tatsächlich beurteilt, und zwar rekurssicher. Wir Deutschlehrer sind uns in den allermeisten Fällen einig, auch mit unseren Experten, die im Moment zumindest noch an gewissen Schulen in der Schweiz eine Gegenkorrektur machen. Das Problem ist aber auch hier der Maßstab. Zudem stellt man häufig fest, dass gerade Schüler, die eher schwach sind im Aufsatzschreiben, keine wirkliche Einsicht in diesen Qualitätsmaßstab haben.
  • Dann der optimistische Schlusssatz: “Die neue Deutschmatura wird eine zukunftsorientierte Kompetenzüberprüfung sein.”
    Warten wir die Pilotversuche ab, ich bin mir da aber nicht sicher, was wir genau durch solche Vereinheitlichungen gewinnen.

Seit einiger Zeit arbeiten wir im Bildungsraum Nordwestschweiz an einem Projekt “Harmonisierte Maturitätsprüfung (HarmMat)”. Die Stoßrichtung geht in eine Art Einheitsmatur pro Schulhaus. Wenn man allerdings diese Entwicklung in Österreich betrachtet, dann ist eine Einheitsmatur Nordwestschweiz durchaus möglich. In der Schweiz haben in der Bidlungspolitik die Kantone allerdings das letzte Wort.